Die dermatologische Visite 2019

Portrait-Foto Fierlbeck

Prof. Dr. Gerhard Fierlbeck

  • Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Allergologe, Phlebologe, Schwerpunkt: Autoimmunerkrankungen der Haut
  • Haut. Venen. Allergie.
  • Zentrum Brunnehof
  • Oberladstr. 100
  • CH-8610 Uster

Was übersehen wir als Hausarzt häufig beim Patienten?

Rosacea

Diese Hauterkrankung äußert sich durch Gesichtsrötung, sichtbare Äderchen, Pusteln und Gesichtsödem; bei Männern tritt häufig eine Knollennase auf. Die Erkrankung betrifft überwiegend hellhäutige Menschen („Fluch der Kelten“), die zusätzlich zu der ästhetischen Problematik auch noch unter Vorurteilen zu leiden haben: Die Knollennase gilt auch heute noch als „Säufernase“, obwohl Alkoholkonsum bei dieser Erkrankung gar keine Rolle spielt.
Die Rosacea ist genetisch determiniert; ihr liegt eine Fehlsteuerung der Blutgefäßregulation zugrunde. Demodex-Milben (Haarbalgmilben), die auf der Gesichtshaut solcher Patient vermehrt vorkommen, führen zu einer überschießenden Immun- und Entzündungsreaktion.

Formen der Rosacea
Es gibt verschiedene Rosacea-Formen:

  • Erythematöse Rosacea (Couperose) mit flächenhaften, persistierenden Erythemen im Gesicht, Brennen, Stechen und häufigem Erröten
  • Papulo-pustulöse Rosacea
  • Rosacea mit Phymata mit grobporig verdickter Haut, Bindegewebsvermehrung, Talgdrüsenhyperplasien und Wulstbildungen: Rhinophym (Nase), Gnathophym (Kinn), Mentophym (Stirn)
  • Extrafaziale Rosacea: Papeln, Pusteln oder Knoten können auch im Hals-Nacken- oder oberen Stammbereich auftreten.

Behandlung der Rosacea
Zur topischen Therapie trägt der Patient ein- bis zweimal täglich eine metronidazolhaltige Salbe auf. Die systemische Therapie erfolgt mit Doxycyclin 40–50 mg/Tag für etwa 2–6 Monate. (Niedrige Dosen sind wirksam und bei Langzeittherapien aufgrund geringerer Nebenwirkungen sinnvoll.) Alternativ kann für 3–6 Monate Isotretinoin 10 mg/Tag gegeben werden. Rhinophyme können chirurgisch abgetragen werden.

Rosacea des Auges
Wenig bekannt ist die Rosacea des Auges (chronische Blepharokonjunktivitis), unter der etwa ein Drittel aller Rosacea- Patienten leidet (auch solche, bei denen die Rosacea im Gesicht schwächer ausgeprägt ist). Solche Patienten klagen über unspezifische Symptome wie Brennen, Trockenheit, Lichtempfindlichkeit und Fremdkörpergefühl im Auge. Leider werden diese Befunde fast immer als „trockenes Auge“ interpretiert und nur mit Tränenersatzmitteln symptomatisch behandelt, ohne dass an eine Rosacea als Ursache und an die spezifische Rosaceatherapie gedacht wird. Diese Erkrankung darf nicht auf die leichte Schulter genommen werden, denn sie kann zur Erblindung führen. Sie lässt sich mit Doxyzyklin oder Isotretinoin behandeln; die Lokaltherapie erfolgt mit steroid- oder ciclosporinhaltigen Augentropfen (Ikervis®).

Urtikaria

Ursachen von Urtikaria und Angioödem
Dies ist die häufigste Hauterkrankung: 15 bis 25% aller Menschen entwickeln im Lauf ihres Lebens eine akute Urtikaria mit juckenden und brennenden Erythemen, die über handtellergroß werden können und durch eine Mastzelldegranulation entstehen, die durch verschiedene Reize ausgelöst werden kann. Neben Histamin werden auch verschiedene andere Zytokine freigesetzt. In der Folge kommt es zu Vasodilatation, erhöhter Kapillarpermeabilität, Sekretion, an den Bronchien oft auch zum Bronchospasmus. Begleitend zur Urtikaria oder auch isoliert kann ein Angioödem oder Quincke-Ödem auftreten (Achtung Erstickungsgefahr aufgrund von Zungenschwellung und Glottisödem!). Angioödeme können durch Histamin oder Bradykinin mediiert sein. Durch Bradykinin mediierte Angioödeme sind nie von einer Urtikaria begleitet.
ACE-Hemmer verursachen häufig solche Bradykinin-vermittelte Angioödeme an Gesicht und Händen (immer ohne Urtikaria).

Therapie
Bei Bradykinin-vermitteltem Angioödem ist der ACE-Hemmer abzusetzen.
Beim (zum Glück seltenen) Bradykinin-vermittelten hereditären Angioödem, bei dem die Patienten unter wiederkehrenden Schwellungen v. a. in Gesicht und Halsbereich leiden, gibt es verschiedene Therapieoptionen (z. B. mit dem Bradykinin-Rezeptorantagonisten Icatibant (Firazyr®) oder dem C1-Inhibitor Berinert®).
Bei Histamin-vermitteltem Angioödem können Antihistaminika, Glukokortikosteroide oder der Anti-IgE-Antikörper Omalizumab (Xolair®) verabreicht werden.
Bei der notfallmäßigen Behandlung von akutem Quincke-Ödem sind hochdosierte Steroide das Mittel der Wahl.

Neurodermitis (atopisches Ekzem)

Krankheitsbild
Bei Kindern ist die Neurodermitis die häufigste Kinderkrankheit überhaupt mit einer Prävalenz von 15%. Sie imponiert je nach Alter durch unterschiedliche klinische Ausprägungen: Im Kleinkindesalter stehen häufig nässende, impetiginisierte Ekzemherde im Vordergrund. Im Kindesalter sind die Prädilektionsstellen die großen Beugen; es finden sich mehr und mehr Kratzspuren, die Haut wird trockener, die exsudativen Hautveränderungen werden weniger. Auch ein Befall des Nackens ist typisch. Im frühen Erwachsenenalter wird die Haut immer trockener und der Juckreiz unerträglich. Im späteren Erwachsenenalter zeigt sich die Erkrankung in extrem trockener Haut mit großflächigen Ekzemherden mit knotigen Veränderungen und Kratzspuren.

Ursachen
Neben der Neurodermitis gehören auch allergische Rhinitis, Asthma bronchiale und Nahrungsmittelallergien (v. a. Nussallergien) zu den atopischen Erkrankungen. Fast alle Patienten mit Neurodermitis leiden auch unter Heuschnupfen, wobei zwischen diesen beiden Krankheitsbildern eine Wechselwirkung besteht: Bessert sich die Neurodermitis, so nimmt der Heuschnupfen zu oder umgekehrt.
Der stärkste Risikofaktor ist eine genetische Prädisposition. Heute weiß man, dass der Neurodermitis ein Hautbarrieredefekt (Störung im Filaggrinaufbau), ein gestörtes angeborenes und adaptives Immunsystem und eine gestörte Zusammensetzung der antimikrobiellen Peptide der Haut zugrunde liegen. Häufige Triggerfaktoren sind:

  • Irritation der Haut durch Textilien (z. B. Wolle), berufliche Tätigkeiten (feuchtes Milieu)
  • IgE-vermittelte Allergien auf Hausstaubmilben, Tierepithelien, Pollen, Nahrungsmittel
  • Genuss größerer Mengen an Zitrusfrüchten
  • mikrobielle Faktoren
  • psychischer Stress bzw. emotionale Faktoren
  • hormonelle Faktoren (Schwangerschaft, Menstruation)

Pseudoallergien wie Nahrungsmittelzusatzstoffe oder Zucker spielen keine Rolle!

Therapie
Topische Therapie:
Die Haut von Neurodermitikern braucht Fett und Feuchtigkeit (je akuter das Ekzem, desto mehr Feuchtigkeit; im subakuten und chronischen Stadium sollte der Fettanteil höher sein).
Die Basistherapie bilden Lotionen, Cremes und Salben, denen Harnstoff zugesetzt werden kann. Harnstoff bindet Wasser und hat eine antimikrobielle Wirkung; Puder bringt für die Therapie des Ekzems nichts.
Für die Lokaltherapie eignen sich topische Steroide (cave: Kinder und kritische Lokalisationen (Gesicht, intertriginös ⇒ systemische Aufnahme, Hautatrophie!). Calcineurin-Inhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus) verursachen keine Hautatrophie und haben eine gute juckreizlindernde Wirkung, aber verglichen mit Klasse II-Steroiden eine schlechtere Wirksamkeit.
Systemische Therapie:
Eine Behandlung mit systemischen Steroiden ist problematisch, denn wenn man diese Medikamente absetzt, exazerbiert das Ekzem (Rebound-Phänomen).
Ciclosporin A kann in Kombination mit Licht weißen Hautkrebs, wahrscheinlich auch Melanome verursachen und ist daher in der Therapie der Neurodermitis nicht sinnvoll.
Sehr gut wirksam ist das Biologikum Dupilumab; dieses verursacht allerdings häufiger Herpex simpex-Infektionen und Konjunktivitis. Etliche neue Therapien sind in der Pipeline und werden wohl in den nächsten Jahren auf den Markt kommen.

Hier können Sie den Vortrag anhören: