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Prof. Dr. med. Curt Diehm
SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach
Abteilung Innere Medizin und Gefäßmedizin 
Guttmannstr. 1; 76307 Karlsbad
Tel.: 07202 61-3340
Fax: 07202 61-6167
 
 
 
Prof. Dr. med. Curt Diehm ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin und Gefäßmedizin am SRH Klinikum Karlsbad, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Heidelberg, mehrmaliger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) und Vorsitzender der Deutschen Gefäßliga e. V., Leitlinienkommissionen, z. B. PAVK und Carotis. 
 
 

Woran sterben wir weltweit?

In der Global Burden of Disease Study (WHO 2010) haben 486 Autoren aus 50 Nationen Gesundheitsdaten aus über 180 Ländern ausgewertet. Diese bisher größte Studie zu den Krankheiten der Menschen wurde im Dezember 2012 im Lancet veröffentlicht. Fazit:

Bluthochdruck stellt (weit vor Rauchen und Alkohol) die weltweit größte Gesundheitsgefahr dar.

Insgesamt starben im Jahr 2011  852 000 Menschen; 40% aller Todesfälle waren durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht. Diese sind nach wie vor die führende Todesursache.

Mehr als 3 Millionen Todesfälle sind auf Übergewicht zurückzuführen.

Bluthochdruck

Einer neuen kanadischen Studie (Flax PAD-Studie) zufolge senken Leinsamen den Blutdruck beträchtlich. Bei hypertensiven PAVK-Patienten, die 6 Monate lang täglich 30 g gemahlene Leinsamen aßen, sank der systolische Blutdruck im Schnitt um 15 und der diastolische Blutdruck um 8 mmHg. Dies ist der stärkste antihypertensive Effekt, der je durch eine diätetische Intervention gezeigt werden konnte. Vermutlich ist er auf einen Anstieg einer protektiven Fettsäure (Alpha-Linolensäure) und eines potenten Antioxidans (Enterolakton) im Blut zurückzuführen. Nach Aussage der Autoren lässt diese Blutdrucksenkung eine Halbierung der Schlaganfallrate und eine Senkung des Herzinfarktrisikos um ein Drittel erwarten. Allerdings muss es sich dabei um gemahlene Leinsamen handeln; sonst scheidet der Körper sie unverändert wieder aus.

Venöse Thromboembolien: häufige und schwere Erkrankungen

Pro Jahr sterben mehr Menschen an Thromboembolien als an Brustkrebs, Prostatakrebs, HIV/Aids und Verkehrsunfällen zusammen. Allein in Deutschland versterben alljährlich über 50 000 Menschen an den Folgen einer venösen Thromboembolie (VTE). 

Zulassungsstatus neuer oraler Antikoagulanzien (Stand: Januar 2013)

Dabigatran (Pradaxa®, Thrombininhibitor: 110 mg, 150 mg, 75 mg) ist zugelassen zur Prävention von Schlaganfällen und Embolien bei nichtvalvulärem Vorhofflimmern (VHF) und zur Thromboseprophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenkersatz.

Rixaroxaban (Xarelto®, Faktor-Xa-Inhibitor: 10 mg, 15 mg, 20 mg) ist zugelassen zur Akuttherapie bei tiefer Beinvenenthrombose (TVT) und Lungenembolie (LE), ferner zur Langzeitrezidivprophylaxe der TVT und LE sowie zur Prävention von Schlaganfällen und Embolien bei nichtvalvulärem VHF und mindestens einem kardiovaskulären Risikofaktor (20 mg) sowie zur Thromboseprophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenkersatz.

Apixaban (Eliquis®, Faktor-Xa-Inhibitor: 2,5 mg, 5 mg) ist zugelassen zur Thromboseprophylaxe nach elektivem Hüft- und Kniegelenkersatz sowie zur Prävention von Schlaganfällen und Embolien bei nichtvalvulärem VHF und einem oder mehreren kardiovaskulären Risikofaktoren.

Der Hauptvorteil bei all diesen Substanzen ist, dass die Blutungsraten im Vergleich zu Warfarin in etwa halbiert sind.

Karotisstenose

Prävalenz

Im Dezember 2012 wurde die neue AWMF-S3-Leitlinie zur Karotisstenose veröffentlicht. Eine Karotisstenose von >50% findet sich bei 1–3% aller Erwachsenen. Im Alter ab 65 Jahren steigt die Prävalenz auf 6–15% an. Ca. 20% aller ischämischen Schlaganfälle werden durch Stenosen oder Verschlüsse der hirnversorgenden Arterien ausgelöst. In Deutschland erleiden jährlich ca. 30 000 Menschen einen karotisassoziierten Schlaganfall.

Diagnostik

Ein alljährliches Screening auf eine Karotisstenose ist bei Patienten mit erhöhtem vaskulärem Risiko (z.B. wegen KHK, PAVK, Diabetes, Nikotinabusus) angezeigt. Die Auskultation der Halsgefäße eignet sich aufgrund der geringen Sensitivität und Spezifität nicht. Methoden der Wahl sind Dopplersonographie oder farbcodierte Duplexsonographie; ergänzende Bildgebung mit CT- oder MR-Angiographie ist möglich.

Ein routinemäßiges Screening bei asymptomatischen Erwachsenen wird nicht empfohlen.

Therapie

Wichtigste Therapiekriterien sind der Stenosegrad und die Abgrenzung symptomatisch/asymptomatisch. (Symptomatische Stenosen sind mit einem höheren Risiko für zerebrovaskuläre Ereignisse assoziiert.)

Die Indikation zur invasiven Behandlung muss stets interdisziplinär (mit Neurologen) gestellt werden.

Patienten mit asymptomatischer Karotisstenose müssen optimal konservativ behandelt werden (ASS 75–325 mg täglich, Optimierung bestehender Gefäßrisikofaktoren wie Blutdruck und LDl-Cholesterin; Statine stabilisieren Plaques). Eine Karotisendarteriektomie kann (mit äußerster Zurückhaltung) in Erwägung gezogen werden bei einem Stenosegrad zwisichen 60 und 99%. Damit lässt sich das Schlaganfallrisiko bei dieser Patientengruppe geringfügig, aber statistisch signifikant verringern (Voraussetzung: Operation in einem Zentrum, in dem die Komplikationsrate unter 3% liegt). Ein signifikanter Vorteil durch die Karotis-Endarteriektomie ergibt sich nach ca. 5 Jahren, bei Frauen dauert es noch länger. Deshalb sollten OP-Kandidaten eine entsprechende Lebenserwartung haben. Karotis-Stenting kommt nach aktueller Datenlage bei asymptomatischer Stenose als Alternative in Frage, wenn erschwerte anatomische Bedingungen („hostile neck“) vorliegen, ein erhöhtes Operationsrisiko besteht oder der Patient auf dieses Verfahren drängt. (Auch hier: Nur in einem Zentrum mit unter 3% liegender Komplikationsrate!)

Bei Patienten mit symptomatischer Karotisstenose und Mindesteinengung 70%, Zustand nach TIA oder Insult ist die Endarteriektomie die Methode der Wahl. Erwogen werden sollte sie in solchen Fällen bereits ab einem Stenosegrad von 50%, und zwar so früh wie möglich nach dem Index-Ereignis.

MZ