Update Kardiologie

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Prof. Dr. med. Matthias Leschke
Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie
Klinikum Esslingen a. N.
Hirschlandstr. 97, 73730 Esslingen
Tel.: 0711 3103-2401
Fax: 0711 3103-2405
 
Prof. Dr. med. Matthias Leschke ist seit 1998 Chefarzt der Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie des Klinikums Esslingen. Er ist u. a. Managing Editor der Zeitschrift „Klinikarzt“ und im wissenschaftlichen Vorstand der Südwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin tätig sowie Vizepräsident der Medica. Prof. Leschke ist auch Initiatior von Medizin aktuell.
 

Bypass versus PCI

Laut einer im Dezember 2012 im NEJM veröffentlichten Studie ist ein aortokoronarer Bypass (ACB) in folgenden Fällen eher zu empfehlen als eine perkutane Koronarintervention (PCI):

  • Diabetiker mit Dreigefäßerkrankung
  • Hauptstammstenose
  • Nicht-Diabetiker mit komplexer Koronarmorphologie
  • (Farkouh et al, Strategies for Multivessel Revascularization in Patients with Diabetes, NEJM, Dec. 20, 2012, vol. 367, no. 25)

Die CPORT-E-Studie versuchte die Frage zu beantworten, ob Koronarinterventionen nur an Kliniken erlaubt sein sollten, die auch über eine Herzchirurgie verfügen. Fazit für die Praxis: Hinsichtlich harter Endpunkte sind Kliniken ohne Herzchirurgie im Haus gleichwertig mit Kliniken mit Herzchirurgie. Hinsichtlich des prozeduralen Erfolges und der Haltbarkeit des Ergebnisses schneiden die Kliniken mit Herzchirurgie im Haus besser ab; dies ist jedoch sicher nicht durch die Herzchirurgie, sondern eher durch die Größe und Erfahrung der jeweiligen Abteilung bedingt.

(Aversano T. ACC 2012, Late Breaking Clinical Trials, Session 305, 25. März 2012)

Herzinsuffizienz

Stammzelltherapie

Die aktuellen Studien zum Einsatz der Stammzelltherapie bei Herzinsuffizienz sind unverändert enttäuschend. In einer aktuellen Studie von Perin et al (gezielte Injektion von Stammzellen in die Ischämie-Areale) wurden bei Patienten mit chronisch ischämischer Herzkrankheit und LV-Dysfunktion mit Herzinsuffizienz und/oder Angina nach 6-monatigem Follow-up keine signifikanten Unterschiede bezüglich hämodynamischer, funktioneller und klinischer Endpunkte beobachtet.

Neue Leitlinien

Aktuelle ESC-Leitlinien zur Herzinsuffizienz:

Neu: Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten sollten schon im Stadium NYHA 2 und nicht erst NYHA 3 gegeben werden (bei allen Patienten mit persistierenden Symptomen [NYHA II-IV] und einer EF ≤35% trotz Behandlung mit einem ACE-Hemmer [oder AT1-Blocker, wenn ACE-Hemmer nicht vertragen werden] und einem Betablocker, um das Risiko einer Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz oder eines vorzeitigen Todes zu reduzieren)

Neue Indikation für Ivabradin (bei eingeschränkter LV Funktion und inadäquater Senkung der Herzfrequenz unter Betablocker-Therapie) on top auf die Betablockade. Man sollte Patienten mit Herzinsuffizienz grundsätzlich auf eine Herzfrequenz von 70 bis 80 einstellen (dies wird in der Praxis leider immer noch nicht ausreichend umgesetzt, obwohl bei Herzinsuffizienz-Patienten mit zu hoher Herzfrequenz die Gefahr einer Tachykardiomyopathie droht).

Die Datenlage zur intrarenalen Sympathikusdenervation war bisher relativ schlecht; jetzt gibt es jedoch eindeutige echokardiografische Daten, die zeigen, dass es bei Patienten mit Linksherzhypertrophie nach einer Denervation zu einer Verbesserung der diastolischen Funktion und Hypertrophieregression kommt.

Neurokardiogene Synkopen

Die International Study on Syncope of Uncertain Etiology 3 spricht dafür, Patienten mit neurokardiogenen Synkopen (für die es bisher keine wirklich sinnvolle Therapie gab) häufiger einen Eventrecorder zu implantieren. Patienten mit neurokardiogenen Synkopen und dokumentierten Asystolien profitieren vom Einsatz eines DDD-Schrittmachers. Ein solcher Schrittmacher kann bei Patienten ≥ 40 Jahren mit dokumentierter asystolischer neurogen-vermittelter Synkope (NMS) weitere nachfolgende Synkopen effektiv reduzieren. Die in der Studie beobachteten Synkopen-Reduktionsraten (32% absolut, 57% relativ) sprechen für die Implantation eines solchen Schrittmachers.

Schlaganfallprophylaxe bei Vorhofflimmern

Antikoagulation

In den aktuellen ESC-Leitlinien zum Vorhofflimmern wird erstmals ein HAS-BLED-Blutungsscore gefordert, der bei allen Patienten mit Vorhofflimmern vor Einleitung einer Antikoagulationstherapie erfasst werden sollte:

  • Leidet der Patient an einer arteriellen Hypertonie (syst. BP > 160 mmHg)?
  • Liegt bei ihm eine abnorme Nieren-/Leberfunktion vor?
  • Hatte er schon einmal einen Schlaganfall?
  • Gab es eine Blutung in der Vorgeschicht bzw. liegt eine bekannte Blutungsneigung vor?
  • Hat der Patient labile INR-Werte (falls unter Warfarin-Therapie)?
  • Fortgeschrittenes Alter (> 65 Jahre)
  • Medikamente  (ASS, NSAR)/Alkohol (jeweils 1 Punkt)

Bei mehr als 3 Punkten im HAS-BLED-Score besteht ein jährliches Blutungsrisiko von über 8%. Dann muss man den Patienten entweder intensiver beobachten oder eine Dosisreduktion der neuen oralen Antikoagulanzien vornehmen.

In den neuen Leitlinien werden alle neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKs) – also Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban – als gleichwertig mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) eingestuft. Die neuen oralen Antikoagulanzien sollen bevorzugt verwendet werden, wenn ein Patient schlecht mit VKA einzustellen ist, Nebenwirkungen auftreten oder INR-Messungen nicht möglich sind.

Zur Evaluierung des thromboembolischen Risikos bei Patienten mit Vorhofflimmern wird grundsätzlich der CHA2DS2-VASc-Score empfohlen. Eine antithrombotische Therapie wird bei allen Patienten mit Vorhofflimmern empfohlen mit Ausnahme folgender Patienten:

  • <65 Jahre und lone AF (auch Frauen II A)
  • CHA2DS2-VASc-Score = 0 (I B)
  • Kontraindikation für Antikoagulation

Katheterablation

Die Katheterablation hat eine deutliche Aufwertung erfahren: Wenn der Patient symptomatisch ist, kann er sich u.U. bei paroxysmalem Vorhofflimmern direkt für eine Katheterablation entscheiden, denn diese ist nur in einem frühen Stadium langfristig erfolgversprechend.

Eine aktuelle Studie zu Antiarrhythmika-Therapie versus Katheterablation bei paroxysmalem Vorhofflimmern zeigte allerdings, dass man die Vorhofflimmerhäufigkeit durch Ablation nicht eindeutig verbessern zu können scheint; aber die Patienten leiden weniger unter Symptomen (hier muss ein Denervierungseffekt eine Rolle spielen).

Duale oder Triple-Therapie bei Stentpatienten?

Spannend bleibt die Frage, ob bei KHK-Patienten, die einen beschichteten oder unbeschichteten Stent erhalten haben, langfristig eine duale Therapie aus einem Thrombozytenaggregationshemmer und einer Antikoagulanz (Marcumar oder neue orale Antikoagulanzien) genauso wirksam ist wie eine Triple-Therapie. In der WOEST-Studie wurden im Rahmen einer Triple-Therapie (Aspirin, Clopidogrel und Vitamin-K-Antagonisten) gegenüber einer dualen Therapie nur aus Vitamin-K-Antagonist und Clopidogrel 40% mehr Blutungen einschließlich einer Mortalitätszunahme dokumentiert. Unter dualer Therapie traten entgegen den Befürchtungen nicht mehr Stentthrombosen auf. Dieser ist gegenüber einer Triple-Therapie also der Vorzug zu geben. 

Neue orale Antikoagulanzien

Rivaroxaban

Eine niedrige Dosierung von Rivaroxaban (2 x 2,5 mg/Tag) hat bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom, die nach optimalen Kriterien leitliniengerecht (einschließlich einer Koronarintervention) behandelt wurden, zu einer Mortalitätssenkung geführt. Deshalb wurde in den neuen Leitlinien zum akuten Koronarsyndrom diese Therapieoption in Kombination mit einer dualen Thrombozytenaggregationshemmung aus Aspirin und Clopidogrel aufgeführt.

In der Behandlung der Lungenembolie stellt Rivaroxaban ein neues innovatives Therapiekonzept dar. In der EINSTEIN PE-Studie (Rivaroxaban im Vergleich zur konventionellen Enoxaparin-plus-Vitamin-K-Antagonistentherapie) erfüllte Rivaroxaban 2 x 15 mg die Kriterien der Nicht-Unterlegenheit gegenüber der bisherigen Therapie aus primärem Einsatz eines niedermolekularen Heparins mit anschließender Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten. Es ergaben sich keinerlei Hinweise auf eine Lebertoxizität. Aufgrund der deutlich geringeren Rate an schwerwiegenden Blutungen wurde Rivaroxaban für diese Indikation zugelassen und stellt in der Langzeit-Prävention erneuter thromboembolischer Ereignisse eine vielversprechende Option dar (2 x 15 mg, nach 3 Wochen Dosis auf 20 mg senken). 

MZ