Update Somnologie

Medizin aktuell auf YouTube: 
See video
 
Holger Woehrle
Lungenzentrum, Ulm
Schlaf- und Beatmungszentrum
im Kreiskrankenhaus Blaubeuren
Ulmer Str. 26, 89143 Blaubeuren
Tel.: 07344 9288970
 
 
Holger Woehrle leitet das Schlaflabor des Kreiskrankenhauses Blaubeuren. Er ist Facharzt für Innere Medizin und Somnologe (DGSM) und ausgewiesener Experte im Bereich der Beatmungs- und Schlafmedizin. Seit 2006 ist Woehrle bei ResMed, einem weltweit tätigen Unternehmen in der Schlaf- und Beatmungsmedizin, in leitenden Funktionen tätig. 

 

In der Schlafmedizin tut sich zurzeit ziemlich viel. Im Jahr 2012 wurden mehr als 5000 Fachartikel publiziert; bereits in diesem Jahr sind 3000 neue wichtige Arbeiten erschienen. Wieder einmal zeigt sich dabei, eine wie wichtige Rolle erholsamer Schlaf für eine gesunde Funktion nahezu aller Organsysteme zu spielen scheint.

Schlafapnoe

Schlafapnoe und Krebs

Aus der Vielzahl interessanter neuer somnologischer Erkenntnisse sticht die Schlafapnoe-News des Jahres hervor: Obstruktive Schlafapnoe ist (in Abhängigkeit vom Schweregrad) mit einem erhöhten Krebsrisiko assoziiert. Bei einer schweren Schlafapnoe steigt das Risiko etwa um das 5-Fache, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer Adipositas oder von Tagesschläfrigkeit. Ob hier ein kausaler Zusammenhang besteht, weiß man allerdings noch nicht; ebenso wenig bekannt ist, ob sich das erhöhte Risiko durch eine Behandlung der schlafbezogenen Atemstörung senken lässt. Fest steht bisher lediglich, dass das Ausmaß des Sauerstoffmangels im Schlaf für die Höhe des Risikos eine entscheidende Rolle spielt. Ferner ließ sich dieses Risiko nur für unter 65-Jährige und für Männer nachweisen, was vermutlich damit zusammenhängt, dass weibliche Schlafapnoe-Patienten einen weniger ausgeprägten Sauerstoffmangel haben. (Nieto et al, Sleep disordered breathing and cancer mortality: results from the Wisconsin Sleep Cohort Study, AJRCCM, im Druck)

Schlafapnoe und kardiovaskuläre Erkrankungen

Es gibt auch neue Erkenntnisse zu Schlafapnoe und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Mehr als jeder zweite akute Herzinfarktpatient leidet an einer relevanten Schlafapnoe; bei denjenigen Patienten, bei denen sich die Ejektionsfraktion nach dem Infarkt wieder verbessert, bessert sich auch die schlafbezogene Atemstörung. Ferner gibt es neue Studien, die belegen, dass

eine obstruktive Schlafapnoe das Risiko für die Entwicklung einer arteriellen Hypertonie deutlich erhöht und dass eine CPAP-Therapie das Risiko, eine Hypertonie zu entwickeln oder ein Herz-Kreislauf-Ereignis zu erleiden, senken kann.

Eine renale Sympatikusdenervation senkt nicht nur den erhöhten Blutdruck sehr effektiv, sondern kann gleichzeitig auch den Schweregrad einer gleichzeitig bestehenden Schlafapnoe verringern.

Symptomatik bei Frauen

Frauen leiden bei einer Schlafapnoe unter anderen Beschwerden als Männer. Sie klagen seltener über Tagesschläfrigkeit, sondern eher über morgendliche Kopfschmerzen, Ein- und Durchschlafstörungen und Depressionen. Diese unterschiedliche Symptomatik sollte bei der Diagnostik berücksichtigt werden, zumal diese schlafbezogene Atemstörung bei Frauen gar nicht so selten ist: Eine moderate bis schwere Schlafapnoe tritt bei 20% der Frauen im Alter von 20 bis 70 Jahren auf.

Schichtarbeit/Zu kurze Schlafdauer

Einer Metaanalyse zufolgt ist Schichtarbeit mit einem erhöhten Risiko für kardiale Erkrankungen (Myokardinfarkt, ischämischen Schlaganfall, koronare Ereignisse) assoziiert. Dies gilt für jede Art von Schichtarbeit im Vergleich zur Arbeit an “normalen” Tageszeiten (außer der Spätschicht), und der Trend ist schon bei weniger als 5 Jahren Nachtarbeit zu verzeichnen. (Manav et al, BMJ 2012;345:e4800 doi: 10.1136/bmj. e4800, publ. 25.7.2012). Ferner hat eine Studie gezeigt, dass Nachtarbeit das Risiko für Krebserkrankungen bei Männern erhöht. Bei postmenopausalen Frauen wiederum steigt durch zu kurze Schlafdauer das Risiko für aggressive Brustkrebserkrankungen.

Insomnien

Jeder vierte Patient, der in eine Hausarztpraxis kommt, leidet an einer behandlungsbedürftigen Insomnie. Oft werden diesen Patienten Schlafmittel verschrieben. Eine große Kohortenstudie hat nun gezeigt, dass die Anwendung von Hypnotika (sogar bei einer Verordnung von weniger als 18 Pillen pro Jahr) mit einem mehr als 3-fach erhöhten Mortalitätsrisiko assoziiert ist, wobei diese Übersterblichkeit nicht durch eine selektive Verordnung von Hypnotika an Patienten mit schlechtem Gesundheitszustand zu erklären ist. Hiervon waren sowohl klassische Hypnotika als auch neuere, kurzwirksamere Substanzen betroffen. Die Gründe hierfür müssen noch abgeklärt werden. (Kripke et al, BMJ Open, 2012;2:e000850. doi: 10.1136/bmjopen-2012-000850) Nicht zuletzt im Lichte dieser neuen Erkenntnisse kommt nicht-medikamentösen Therapiemethoden (Schlafhygiene, Entspannungstraining, kognitiver Therapie, Stimuluskontrolle, Schlafrestriktion) bei Insomnien ein hoher Stellenwert zu; sie sind nach dem aktuellen Stand der Forschung sogar erfolgreicher als Hypnotika.

MZ